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Rumänien Herbst 2014

Ein Bericht von Nina Schöllhorn | Tierärztin

Ein hartes Jahr liegt hinter uns allen, die in Rumänien aktiv sind, hinter allen tierfreundlichen Bürgern vor Ort, ebenso wie all den vielen Menschen, die in Deutschland, aber auch auf der ganzen Welt die dramatischen Vorkommnisse verfolgt und mitgelitten haben. Der 2. September 2013. Ein Tag, der alles verändern sollte. Ein Tag, der alles noch viel, viel schlimmer machte, als es ohnehin schon war. Ein Tag von dem man wünschte, es hätte ihn nie gegeben. Mittlerweile sind die Umstände des tragischen Todes des Kindes aufgedeckt. Es waren keine Straßenhunde, die das Kind angegriffen haben, es waren die Wachhunde eines Privatgrundstückes. Was wir alle vermutet hatten, hat sich bewahrheitet. Es wurde lediglich ein Aufhänger gesucht, um grünes Licht für ein gewinnbringendes Spiel zu bekommen, bei dem es gewisse Gewinner gibt und hundertausende von Opfern. Die Opfer sind alle Hunde Rumäniens, die seit dem um ihr Leben fürchten müssen. Die verfolgt, gequält, misshandelt und letztlich bestialisch zu Tode kommen.

In diesem Land ist jedes nicht geborene Hundeleben, ein gerettetes Leben. So traurig es ist...

Doch wer sind die Gewinner? Wer kann Interesse an solch einem grausamen Spektakel haben? Es sind Menschen, deren eigene Profitgier über allem steht. Leider lässt sich mit den Straßenhunden viel Geld verdienen, viel, viel Geld. Die genauen Zusammenhänge sind undurchsichtig, es ist ein Nebel aus korrupten Machenschaften. Die Herrschafften kennen sich untereinander, spielen sich gegenseitig die Aufträge zu, decken sich, ziehen an einem Strang. Leider spielt sich das Ganze auf hoher politischer Ebene ab, und es scheint dagegen kein Ankommen zu geben. Selbst die weltweiten immensen Proteste verfehlten ihr Ziel.

Wie ist die Situation also aktuell?

Aktuell wurden die Anwendungsnormen zum neuen Hundegesetz als nicht wirksam erklärt. Nun herrscht Uneinigkeit, ob dies das ganze Gesetz für nichtig erklärt oder eben nur die Anwendungsnormen. Wie aber ein Gesetz anwenden ohne Anwendungsnormen? Dies spiegelt das gesamte letzte Jahr wieder: Verunsicherung. Keiner weiß, was richtig ist. Jede Gemeinde entscheidet also nach Gutdünken. Die einen töten, die anderen lassen die Hunde verhungern, die nächsten versuchen hektisch irgendwie zu kastrieren. Gezeichnet ist die Situation von blindem Aktionismus, denn den Gemeinden wird mit dem neuen Gesetz ganz klar die Pistole auf die Brust gesetzt, das Straßenhundeproblem in kurzer Zeit zu lösen. An sich beinhaltet das Gesetz auch sehr gute Ansätze, wie die Kastrations- und Registrierungspflicht , diese können aber nicht von heute auf morgen umgesetzt werden, dafür braucht es entsprechende Übergangsfristen, denn zunächst müssen die entsprechenden Strukturen geschaffen werden. Selbst Deutschland wäre überfordert, innerhalb weniger Monate eine solche an Masse an Tieren zu kastrieren und zu registrieren. Nun gab es bis vor kurzem in Rumänien keinerlei funktionierenden Registrierungssysteme und leider mangelt es ganz dramatisch an Tierärzten, die zu einer fachlich korrekten Kastration in der Lage sind. Ein großes Problem, welches das Gesetz ebenso mit sich bringt, sind die vielen Auflagen, die leider sehr oft schon als Schikanen zu bezeichnen sind, mit denen man den Tierschützern jetzt begegnet. Private Tierheime sind untersagt. Das heißt, all die tierlieben Menschen- und das sind nicht wenige- die auf Privatgrundstücken eine kleinere bis etwas größere Anzahl von Hunden in Sicherheit gebracht hatten, werden gezwungen, ihre Hunde abzugeben. In die städtischen Auffanglager und somit in den Tod. Die genehmigten Tierheime, bekommen fast monatlich neue Vorschriften, was an baulicher Struktur verändert werden muss, was zusätzlich dokumentiert werden muss, immer neue Listen, der Verwaltungsaufwand liegt mittlerweile so hoch, dass die normale Arbeit fast zum Erliegen kommt. Eine kaum zu bewältigende Aufgabe für all die Tierheime, die sich wirklich um die Hunde bemühen und sich mit ihren bescheidenen Mitteln irgendwie über Wasser halten müssen.

Ein Tierheim gleicht mittlerweile einem Hochsicherheitstrakt, 24 Stunden bewacht, damit keine Hund unbeachtet das Tierheim verlassen oder hinzukommen kann. Alles bis aufs kleinste dokumentiert. Die Ware Hund ist wichtig. Doch völlig unwichtig ist, wie sie denn dort leben, in diesen Lagern oder Heimen. Es scheint egal, wie viele dort jeden Morgen tot aufgefunden werden. Hauptsache die Feststellung des Todes wird dokumentiert. Chipnummer, Geschlecht, Alter, Farbe UND Todesursache. Tja, die heißt dann eben tot aufgefunden. Ist das eine Diagnose? Will niemand die Wahrheit lesen, die da lautet: verhungert, zu Tode gebissen oder langsam an einer der in Tierheimen üblichen Infektionskrankheiten verendet? Was also tun, in einer solch deprimierenden Situation?

Nun, das neue Gesetz hat an sich auch einige gute Ansätze. Wenn man es genau nimmt, ist die Kastrations- und Kennzeichnungspflicht ja bahnbrechend. Wünschten sich das nicht Tierschützer seit vielen Jahren für die verschiedensten Länder? Genau dies ist also der Punkt, an dem wir ansetzen müssen. Das Straßenhundproblem ist in aller Munde, eine Lösung wollen alle finden, Kastrationen sind vorgeschrieben. Jetzt liegt es daran, den verschiedenen Verantwortlichen handfeste Projekte vorzulegen, die sie überzeugen, unseren Weg zu gehen und nicht den des Tötens. Die Bereitschaft unter der Bevölkerung, ihre Tiere kastrieren zu lassen ist groß wie nie- verständlicherweise. Schließlich droht man denjenigen mit Bußgeldern, die ihre Tiere nicht kastrieren lassen (ausgenommen sind reinrassige Hunde). Ein Großteil der Bevölkerung kann sich die Kastration nicht leisten und in vielen Teilen Rumäniens gibt es schlicht keinen Tierarzt, der kastrieren kann. Von dem her ist unsere Arbeit gefragter denn je.

Ich für meinen Teil sehe schon lange die Kastration der Privattiere als am wichtigsten an. Denn der Nachwuchs der Privathunde ist der Verursacher des ganzen Problems- das liegt auf der Hand. Und ein Hund, der in einem Zuhause lebt, hat eine wesentlich längere Lebenserwartung als ein Hund der auf der Straße ums Überleben kämpfen muss. Von demher bin ich glücklich, dass wir nun endlich in großem Stil Privattiere kastrieren dürfen.

Was mir jedoch sehr schwer fällt zu akzeptieren, ist das Gefühl der Ohnmacht, was die Tiere auf der Straße angeht. Viele erfolgreiche Kastrationsprojekte wurden durch die Vorkommnisse des letzten Jahres zerstört. Es macht in den allermeisten Städten keinen Sinn, Straßentiere zu kastrieren, wenn diese anschließend sowieso eingefangen und getötet werden. Machtlos und ohnmächtig stehe ich nun also den tausenden von Straßentieren gegenüber, die mir auf meinen Reisen quer durchs ganze Land begegnen. Ich fühle mich, als ob ich ihnen einen Stempel aufdrücke: ?Ihr seid die Todgeweihten- es lohnt nicht Euch zu helfen.? Das ist sehr schwer auszuhalten, doch ich denke, manchmal muss man versuchen, einen klaren Kopf zu bewahren und eben das tun, was möglich ist.

Konkret erstreckte sich unsere Arbeit in diesem Jahr auf:

  • Sighisoara: Sehr gut etabliertes Kastrationsprojekt für Straßen- und Tierheimtiere.
  • Balan und Tusnad: Zwei kleine Städtchen, die beeindruckend zeigen, wie einfach sich der Hundebestand durch Kastration in kleinen, für sich abgeschlossenen Gebieten kontrollieren lässt. Hier haben wir das große Glück, dass die Straßenhunde nach der Kastration wieder auf die Straße dürfen und akzeptiert werden. Kastration von Straßen- und Privattieren.
  • Miercurea Ciuc: Kastrationsprojekt für Privat- und Tierheimtiere. Das örtliche Tierheim, in den Händen vom Freundeskreis BrunoPet , ist für mich das Vorzeigetierheim in Rumänien und den Verantwortlichen gebührt mein voller Respekt, für das was hier in wenigen Jahren erreicht wurde.
  • Suceava: Kastrationsprojekt für Privattiere mit sehr starker Nachfrage. Hilfestellung in verschiedenen Bereichen der schwierigen Tierheimsituation, auf Grund von ständiger Überfüllung. Kastration und medizinische Versorgung von Tierheimhunden. Medizinische Schulung der Tierheimtierärzte.

Verloren haben wir Balş. Die tragischen Ereignisse haben einige von Ihnen sicher mitbekommen. Wir waren sehr stolz auf unser langjähriges, gut funktionierendes Projekt dort. Im Zuge der Hysterie letzten Herbst jedoch, ließ der Bürgermeister- absolut gegen jede Abmachung mit uns und hinter unserem Rücken- Hunde einfangen, wegsperren und grausam verhungern. Es gelang mir, dies aufzudecken und in zwei Nacht- und Nebelaktionen so viele von ihnen wie möglich zu retten. Doch für viele kam jede Hilfe zu spät. Verhandlungsversuche, in wie weit eine zukünftige Zusammenarbeit evtl. noch möglich sei, führten zu nichts. Es lässt sich nicht herausfinden, was in Balş momentan vor sich geht, jedoch hat sich die Zahl der Hunde auf der Straße dramatisch reduziert?

Neu hinzu gekommen ist Slatina, welches nur ca. 20 Minuten von Balş entfernt ist, und so dem Teil der Bevölkerung von Balş, welcher den Weg nicht scheut, auch die Möglichkeit bietet, weiter ihre Tiere kastrieren zu lassen. In Slatina kastrieren wir Privattiere und viele Hunde, die auf den zahlreichen Firmengeländen leben und vor den Hundefängern sicher sind. Ebenso operieren wir die Hunde des privaten Tierheims von Gratiela Ristea. Im städtischen Auffanglager herrschen himmelschreiende Zustände, die auch durch die Medien bekannt wurden. Was ich dort gesehen habe, übertraf alles bisher Gesehene und überschreitet die Grenzen dessen, was ein fühlender Mensch verarbeiten kann. Ich bin in vollem Bewusstsein, dass Orte wie dieses Lager in Slatina, über ganz Rumänien verteilt sind, in einer Anzahl, die wir nur vorsichtig erahnen, doch lieber gar nicht wissen wollen. Die Anzahl der Hunde, die also jeden einzelnen Tag, jede Stunde, jede Minute auf nacktem Betonboden, in ihren Exkrementen liegend, in praller Sonne oder eisigem Regen, bei Schnee und Wind, ohne jegliche Rückzugsmöglichkeit, ohne Futter und Wasser, mit gebrochenen Gliedmaßen und offenen Wunden auf ihr Ende warten, ist unvorstellbar. Wie soll man mit diesem Wissen nur umgehen? Ich denke, das einzig Machbare ist, wann immer sich uns die Möglichkeit bietet, einzelne aus diesen Tötungslagern zu retten, dürfen wir nicht zögern. Aber unsere ganze Energie muss darauf verwendet werden, zu verhindern, dass all diese Leben überhaupt geboren werden, die nichts erwartet, als Leid in dieser Welt. Kastrationen um Leben zu retten!

In diesem Land, ist jedes nicht geborene Hundeleben, ein gerettetes Leben. So traurig es ist?

Liebe Arche Freunde, ich möchte offen ein Problem ansprechen, welches wir im Kreise der Arche sehen. An sich sind die Leser des Arche Reportes als Spender für Kreta anzusehen. Projektbezogene Spenden sind natürlich auch für andere Länder möglich. Nun sind wir aber auf Grund der höchst brisanten Situation in Rumänien dringend auf vermehrte Spenden angewiesen. Uns erreichen bald wöchentlich Anfragen aus verschiedenen Regionen Rumäniens mit der Bitte um Hilfe, welchen wir jedoch wegen fehlender Finanzierungsmöglichkeiten nicht nachkommen können. Nun wäre es jedoch für Kreta und die anderen bestehenden Projekte fatal, wenn deren Spender nun vermehrt statt für diese, nach Rumänien spenden würden. Ein Gedanke von uns ist folgender: Die Situation in Rumänien ist durch die Medien stark bekannt geworden und hat sehr viele Menschen betroffen gemacht. Vielleicht kennen Sie den ein oder anderen in ihrem Umfeld, der gerne helfen würde, aber nicht so recht weiß wie? Vielleicht könnten Sie helfen, unsere Arbeit dort bekannt zu machen? Möglicherweise könnten wir auf diesem Wege einen Kreis von Förderern unser Projekte in Rumänien schaffen, ohne die Projekte der anderen Länder zu gefährden.
Herzlichst, Ihre Nina Schöllhorn

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!

Jetzt spenden!

In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de