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Kozani - Einsatzbericht Frühjahr 2023

Ein Bericht von Corinna Weidner

Ich sitze im Flieger, auf dem Weg zu meinem zweiten Einsatz. Gleich zwei Einsatzorte dieses Mal. Zuerst geht es nach Nordgriechenland, um Antonia zu unterstützen, dann weiter nach Kreta zu Marga und Valentina. Ich bin sehr aufgeregt und auch ein wenig nervös. Beim letzten Einsatz war noch Miri dabei und wir konnten gemeinsam dafür sorgen, dass die Tiere immer rechtzeitig bereit zur OP waren, diesmal bin ich Antonias einzige Assistentin.

Melanie hat den gleichen Flug, sie nimmt mich mit bis Veria, wo Antonia mich dann abholt. Mit ihr fahre ich dann weiter bis nach Kozani, zu unserem Kampagnenort, der relativ neu zu den Einsatzorten des Tierärztepools gehört.

Im Auto erzählt mir Antonia auch, dass wir hier erstmal nur Hunde kastrieren werden, keine Katzen und als wir durch Kozani fahren ist mir auch klar warum. Hier ist das Bild nochmal ein ganz anderes als auf Kreta. Während man dort kaum Straßenhunde in den Städten sieht und einem hauptsächlich die Katzen an den Müllcontainern auffallen, kann man hier die Hunde überall in der Stadt beobachten. Ein großer Herdenschutzhund liegt auf dem Zebrastreifen vor einer Metzgerei, ein anderer hat er sich in einer Sandkuhle auf dem Spielplatz gemütlich gemacht und als wir parken werden wir auch direkt von einem Rüden begrüßt, der sich Futter von uns erbettelt. Schon auf den ersten Blick ist klar: Hier gibt es viel zu tun.

Am nächsten Tag geht es los. Ich bin beeindruckt, wie gut organisiert die Leute hier sind. Es stehen Boxen für die Hunde bereit, ich bekomme einen eigenen Raum für die Vorbereitung der Patienten und der größte Pluspunkt hier ist wohl Tommy einer der Helfer, der immer bereitsteht, um mir zu helfen, die Hunde anzuspritzen oder hineinzutragen.
Denn gerade beim Tragen kann ich wirklich Hilfe gebrauchen. Kaum einer der Hunde hier wiegt weniger als 25 kg, die meisten eher mehr. Auch das ist nochmal ein großer Unterschied für mich im Vergleich zu Kreta, ebenso wie das Alter der Tiere. Man sieht den Hündinnen an, dass sie schon einige Würfe gesäugt haben und einige Kämpfe ausfechten mussten. Am meisten im Gedächtnis bleibt mir dabei wohl eine Kangaldame, der jemand die Ohren abgeschnitten hatte und tiefe Narben im Gesicht trug.

Am zweiten Tag bekommen wir einen Anruf im Kastrationszentrum. Ein Welpe wurde in einer Müllpresse gefunden. Antonia schickt einen der örtlichen Helfer los, um ihn abzuholen. Als er wiederkommt, hält er eine Pappschachtel in den Händen, darin ein schwarzes Bündel mit weißem Brustfleck, das sich nicht regt, kaum noch atmet. Antonia steht im OP, also gibt sie mir die entsprechenden Anweisungen und ich übernehme die Erstversorgung.

Durch meine Arbeit als Tierarzthelferin in einer deutschen Klinik sind mir Notfälle nicht fremd, aber selten zuvor hatte ich einen Patienten, der schon so nah am Tod war und noch nie war er dabei so jung.
Ich lege unserem kleinen Bündel einen Venenkatheter, gebe Medikamente, hänge es an die Infusion und messe die Temperatur – nicht messbar. So kalt war der Welpe bereits.
Zusammen bauen wir aus Mülltüten und einem der Heizlüfter eine Art Wärmezelt für die kleine Hündin, man muss manchmal ein wenig improvisieren im Einsatz. Mehr können wir fürs Erste nicht tun und der Kastrationstag geht weiter, doch wann immer Zeit ist, husche ich zu ihrer Box, sehe, dass ihre Temperatur steigt und sie anfängt den Kopf zu heben. Es sind winzige Fortschritte, aber immerhin.
So verlaufen auch die nächsten Kampagnentage, ich bereite die Hunde vor, Antonia kastriert, dazwischen wird nach unserer kleinen Kämpferin gekuckt. Und sie kämpft wie ein Löwin. Sie beginnt aufzustehen und zu fressen. Dabei sieht man leider, dass sich ihre Beinchen durch die Mangelernährung falsch entwickelt hatten, doch Antonia meint, mit der richtigen Behandlung könnte das in ihrem Alter wieder werden. Am Ende der Kampagne ist uns klar, dass wir die Kleine nicht einem griechischen Tierheim überlassen können. Sie kommt mit zu Antonia, die sie weiter pflegt und ihr den Namen Mathilda gibt.
Ich muss dagegen weiter nach Kreta und so verabschiede ich mich tränenreich von Mathilda und Antonia und steige in mein Flugzeug.

Bisher hatte ich eine bekannte Person und einen unbekannten Ort, auf Kreta würde es nun genau umgekehrt sein und ich freue mich darauf, Marga und Valentina, die ich bisher nur aus Geschichten kenne kennen zu lernen. Im NLR begrüße ich erstmal die Katzenbande, die ich schon schmerzlich vermisst hatte. Ich war zwar erst einmal da, aber es fühlt sich bereits nach Zuhause an.
Viel Zeit zum Durchschnaufen habe ich allerdings nicht, denn schon am nächsten Tag brechen wir zur Osttour auf, drei Orte in acht Tagen. Unser erster Stopp ist Agios Nikolaos und hier wartet auch eine besondere Herausforderung für mich. Jetzt heißt es nämlich für zwei (wahnsinnig schnell kastrierende) Tierärztinnen die Patienten vorzubereiten und dafür zu sorgen, dass den beiden nicht die Arbeit ausgeht. Das klappt ganz gut, bis eine Reihe von Katern dran ist. Dann muss ich kapitulieren, denn die beiden sind mit dieser OP einfach zu schnell, als dass ich hierbei eine Chance hätte. Aber die beiden springen mir helfend zur Seite und wir kommen weiter gut voran.

Als Nächstes geht es für Valentina und mich nach Sitia, während Marga zurückfährt, um dort weiter zu kastrieren.
Der letzte Stopp für mich ist dann Ierapetra. Dieses sogenannte Tierheim in einem ehemaligen Schlachthof nimmt mich, wie schon beim ersten Mal besonders mit. Dieses Mal wusste ich zwar, worauf ich mich einstellen musste, aber das machte es umso schwerer, all die bekannten Gesichter der Hunde zu sehen, die auch schon vor einem Jahr hier waren. Jeder Hund, an den ich mich erinnern konnte, war noch da. Aber das ist nur ein weiteres Zeichen, wie wichtig die Arbeit ist, die wir hier tun.
Ich reise ab und weiß: Das wird nicht mein letzter Einsatz gewesen sein.
Um genau zu sein, ist der nächste Flug nach Kreta bereits gebucht, während ich diese Zeilen schreibe.