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15 Stunden auf einer Fliese

Gedanken von Thomas Busch, Tierarzt

Eine Kastration dauert durchschnittlich 15 Minuten, für das Team aber oftmals mehrere Tage. Ein paar Ligaturen zu setzen scheint so aufwendig zu sein, wie ein Flug zum Mond. Warum ist das so?
Begleiten wir die Chirurgin und ihr Team für eine gefühlte Unendlichkeit.
Eigentlich gibt es 1000 Gründe, dass etwas schief geht. Am OP-Tisch steht die Chirurgin, bei ihr die Assstentin. Beide müssen permanent hoch konzentriert sein. Kleinste Fehler können Leben kosten. Draußen arbeiten die Helfer und die Fänger. Sie alle zusammen sorgen für den einen Moment der Hochspannung. Für den Moment, in dem das Skalpell ansetzt. Für diesen einen Moment haben alle wie Zahnräder zusammengearbeitet. Mehr als 10.000 Mal pro Jahr.

So unterschiedlich die Tierärztinnen im privaten Leben sein mögen, am OP-Tisch erscheint alles synchronisiert. Alles ist gleich, egal ob in Afrika oder tief in Rumänien. Das Equipment ist gleich, die Abläufe im OP sind gleich, die Kastrationstechnik ist gleich und selbst die Handgriffe lassen unter den Handschuhen keine eindeutige Zuordnung erkennen. Das ist beabsichtigt, da sich im Fließbandmodus so kaum Störungen ergeben. Thomas Busch

Die Fänger bringen die Katzen. Oft haben sie stundenlang bei ihren Fallen ausgeharrt. Die Helfer setzen die Tiere von den Fallen in die Quetschbox. In diesen kann die Narkose gegeben werden, ohne dass jemand gekratzt oder gebissen wird. Ab jetzt muss alles schnell gehen. Bauchrasur, Venenkatheter, Schmerzmittel und Antibiose und auf das Zeichen des Chirurgen warten. Ist er mit der vorherigen OP fertig, wird das Tier vor ihm vom Tisch gehoben und wieder an die Helfer zur Überwachung der Aufwachphase zurückgegeben. Sofort kommt das nächste Tier auf den Tisch. Ein Kreislauf, der wie am Fließband läuft.
Dieses Programm wird so routiniert abgespult, dass man das Gefühl hat, einem Kochkurs für Anfänger beizuwohnen. Nur zweimal an diesem Tag gibt es Unterbrechungen. Einmal muss ein Auge entfernt, ein anderes Mal ein Bein amputiert werden. Das Team geht damit so ruhig um, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Nur die Helfer schauen auf die Uhr, wissen sie doch, dass ihr Feierabend damit um gut eineinhalb Stunden nach hinten verlegt ist. Die Chirurgin und ihre Assistentin scheint es nicht zu stören, sie sind Schlimmeres gewohnt.

Wochenlange Einsatzplanung für den einen Moment

Die Einsatzplanung beginnt Wochen vor der eigentlichen Kastrationsaktion. Termine besprechen, Ärzteteams zusammenstellen, Flüge buchen, Equipment ordern und zu den Einsatzorten delegieren. Boxen, Fallen, Autos, freiwillige Helfer und vieles mehr machen die Vorbereitung zu einem regelrechten Abenteuer. Die Einsätze kosten Geld. Teilweise viel Geld. Nichts darf deshalb dem Zufall überlassen werden oder gar schief gehen.

An einem Dienstagmorgen kommt alles zusammen. Exakt auf den Punkt. 33 Katzen sind in der letzten Nacht eingefangen worden. Die Tierärztinnen sind zufrieden. Sie wissen, dass im Laufe des Tages noch weitere Tiere gebracht werden. 50 Operationen könnten es werden. Ein gutes Ergebnis. Ein effektives Ergebnis.

Die Chirurgin bezieht am Kommandostand Stellung. Sie weiß, dass sie erst 15 Stunden später ihren Platz wieder verlassen wird. Die Assistentin hat den Vorteil, sich bewegen zu können. Die Chirurgin nicht. Sie steht die ganze Zeit auf einer Fliese. Mal das eine Bein zur Entlastung auf das Tischuntergestell stellen, mal das andere.

Beide hoffen, dass alles glatt geht. Von den beiden Extraoperationen wissen sie an diesem Morgen noch nichts, nur der Fänger ist entsetzt, als er die schwer verletzten Tiere endlich in der Falle hat. Aber auch erleichtert, weiß er doch, dass in Kürze der Schmerz vorbei sein wird. Ob er die Tiere anschließend wieder an dem Ort, an dem sie bisher lebten, freilässt, entscheidet das Team.

Alle Zahnräder müssen ineinandergreifen

Wieder müssen viele Zahnräder zusammengreifen. Wie schwer ist die Verletzung wirklich? Gibt es Pflegestellen? Ist das Tier zahm oder völlig wild? Findet man später eine Endstelle? Viele Fragen, die auf‘s Gemüt schlagen. Weiß man doch, dass behinderte Tiere es noch schwerer haben vermittelt zu werden oder auf der Straße zu leben.
50 Operationen später ist wieder einmal alles gut gegangen. Kein Narkosezwischenfall, kein Atemstillstand, kein Herzversagen. Aber selbst wenn, die Tierärzte sind trainiert, mit allen Widrigkeiten klarzukommen. Auch in einer improvisierten Umgebung. Kein zehnköpfiges Ärzteteam, keine Analysegeräte, kein Narkosegerät stehen zur Verfügung.
Einzig die Monate einer langen Ausbildung und die Jahre der Erfahrung an der Front retten im entscheidenden Moment Leben. In einer hoch technisierten, datengesteuerten Welt schaffen weder Testläufe noch Simulatoren das, was die Routine und Erfahrung zu leisten in der Lage ist.

Privat unterschiedlich, im OP ununterscheidbar

So unterschiedlich unsere Tierärztinnen im privaten Leben sein mögen, am OP-Tisch erscheint alles synchronisiert. Alles ist gleich, egal ob in Afrika oder tief in Rumänien. Das Equipment ist gleich, die Abläufe im OP sind gleich, die Kastrationstechnik ist gleich und selbst die Handgriffe lassen unter den Handschuhen keine eindeutige Zuordnung erkennen. Das ist beabsichtigt, da sich im Fließbandmodus so kaum Störungen ergeben. Außerdem ist jeder sofort austauschbar oder ersetzbar. Jeder weiß zu jeder Zeit immer ganz genau, was der andere gerade macht. Auch ohne hinzugucken. Das ist wichtig in einem vollgestopften Tagesablauf. Um 23:00 Uhr wird abgebaut und aufgeräumt. Alle helfen, auch die Tierärztinnen. Das stärkt den Zusammenhalt im Team. Am nächsten Morgen muss alles verstaut in den Autos sein. Ein letzter Blick in die Boxen der gestern operierten Tiere. Sicher ist sicher. Dann verabschieden sich die beiden Tierärztinnen von den Helfern vor Ort, die fast so etwas sind wie eine große Familie und starten zum nächsten Einsatzort.

Dort war man in der letzten Nacht erfolgreich. 42 Tiere konnten gefangen werden.
Das klingt nach einem langen Tag. Wenn alles gut geht...

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!

Jetzt spenden!

In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de